Zur häufig gestellten Frage der Verpflichtung zur
Erwerbstätigkeit von getrennt lebenden oder geschiedenen Ehefrauen
oder Müttern nichtehelicher Kinder kann aus den aktuellen
Erfahrungen mit den Familiengerichten eine grobe Richtlinie aufgestellt
werden, dass bei minderjährigen Kindern ab 3 Jahren bis zur
Einschulung zumindest ein 400-Euro-Job angenommen werden muss und
grundsätzlich auch eine Vollzeittätigkeit in Betracht kommt.
Ewas anderes kann gelten, wenn das Kind krank ist und deswegen ein
erhöhter Betreuungsbedarf besteht oder wenn der betreuende
Elternteil aufgrund einer in der Partnerschaft praktizierten
Rollenverteilung seine Beruftätigkeit aufgegeben oder
zurückgestellt hat oder der Anfahrtsweg zur Arbeit besonders weit
ist.
Einer 56 Jahre alten Hausfrau und Mutter, die seit 20 oder mehr Jahren
aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist, wird in der Regel nicht mehr
zugemutet, noch zu arbeiten. Sie hat dann einen Unterhaltsanspruch
wegen Alters. In Einzelfällen kann sie aber zu einer
Nebentätigkeit geringen Umfangs verpflichtet sein, so dass sich
der Unterhaltsanspruch geringfügig verkürzen kann.
Urteil des Bundegerichtshofes vom
15.06.2011:
Am 15.06.2011 hat
der Bundesgerichtshof erneut bekräftigt, dass
grundsätzlich eine Vollzeiterwerbstätigkeit der Mutter
infrage kommt, wenn das Kind die 3. Grundschulklasse besucht und nach
der Unterrichtszeit im Rahmen der offenen Ganztagsschule betreut werden
kann.
Ob und in welchem
Umfang eine Einschränkung der Vollzeiterwerbstätigkeit
zugebilligt werden kann, müsse das Gericht im Einzelfall konkret
prüfen und feststellen. Diese Feststellungen dürfen nicht
pauschal getroffen werden, sondern nur nach eingehender Prüfung
der individuellen Verhältnisse.
Der
Bundesgerichtshof hatte eine Entscheidung des Ausgangsgerichts
aufgehoben, obwohl das Ausgangsgericht seine Meinung, die Frau sei
lediglich zu einer Halbtagstätigkeit verpflichtet, damit
begründet hatte, dass die Tochter über längere Zeit in
einer Pflegefamilie untergebracht war, sodass im Interesse des Kindes
ein behutsamer Übergang gerechtfertigt sei, um das Kind und auch
die Mutter nicht zu überfordern. Das Ausgangsgericht war deswegen
zu dem Schluss gekommen, eine mehr als halbschichtige
Erwersobliegenheit sei erst im Lauf der nächsten ein bis zwei
Jahre geboten. Die Tochter besuchte die 3. Grundschulklasse. Laut BGH
kommt also eine Verpflichtung der Mutter zur Vollzeittätigkeit in
Betracht.
Urteil des
Bundesgerichtshofes vom 02.02.2011 zu Eheverträgen:
Grundsätzlich ist die Vereinbarung der Gütertrennung und die
Vereinbarung eines wechselseitigen Unterhaltsverzichts wirksam, wenn
die Ehefrau eine angemessene Kompensation für ehebedingte
Nachteile erhält.
War die Ehefrau
während der Ehe durch die Erziehung der Kinder in der
Ausübung ihrer Beruftätigkeit eingeschränkt, muss
ermittelt werden, was sie ohe Berufspause aus einer ihrer Ausbildung
entsprechenden, kontinuierlich ausgeübten Berufstätigkeit
hätte erzielen können.
Ausgangspunkt für die Vertragsanpassung sei das zu schätzende
Einkommen der Frau, das sie realistischerweise bei normaler Entwicklung
ihrer beruflichen Karriere erzielt hätte, wenn sie ohne Kinder in
ihrem vorehelich angelegten Berufsfeld geblieben wäre. Der
Ehevertrag sei daher insoweit zu korrigieren, dass die Frau einen
Ausgleich ehebedingter Nachteile zu einem 2/3-Anteil verlangen
könne.
Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 25.01.2011:
Künftig wird
die geschiedene Ehefrau in größerem Umfang als nach der
bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in ihrem Vertrauen
auf die Aufrechterhaltung ihres bisherigen ehelichen Status
geschützt.
Das
Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass sich der
Bundesgerichtshof mit seiner Rechtsprechung zu den „wandelbaren
ehelichen Lebensverhältnissen“ unter Anwendung der sogenannten
„Dreiteilungsmethode“, z.B. bei Wiederheirat des geschiedenen
Ehegatten, nicht an die Vorgaben des Grundgesetzes halte.
Ergebnis dieser Rechtsprechung ist, dass künftig die geschiedene
Ehefrau in größerem Umfang als bisher geschützt wird.
Deren Unterhaltsbedarf bestimmt sich grundsätzlich nach den
„ehelichen Lebensverhältnissen“. Danach eintretende
Veränderungen können nur ausnahmsweise in die
Unterhaltsberechnung einbezogen werden, wenn sie zum Zeitpunkt der
Scheidung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen waren und
diese Erwartung die „ehelichen Lebensverhältnisse“ geprägt
hatten. Unterhaltspflichten gegenüber einem neuen Ehegatten
gehören nicht zu den die ehelichen Lebensverhältnisse
prägenden Umständen.
Damit darf der geschiedene Ehegatte darauf vertrauen, dass er an dem
zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung gemeinsam erreichten Status
für eine Übergangszeit partizipieren darf.
Allerdings spielt die Rangfolge dann eine Rolle, wenn ein sogenannter
„Mangelfall“ vorliegt. Es besteht also bei nicht ausreichender
Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen eine
Unterhaltspflicht gegenüber 2 gleichrangigen Ehegatten.
Beispielsweise ist bei einer 2. Ehefrau mit einem kleinen Kind aus
dieser Ehe der Unterhaltsbedarf für den derzeitigen Ehegatten als
Verbindlichkeit in die Berechnung für den geschiedenen Ehegatten
einzustellen, was letztlich auch im Lichte der neuen Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts wieder zu einer Dreiteilung führt.